Skip to main content

Am 13. Juni fand unser diesjähriger Geschichtstag statt. Wir bewegten uns im Stadtgebiet und verfolgten dort die Spuren der nationalsozialistischen Zeit, die sich auf vielfältige Weise zeigen. Vor dem Siloah-Krankenhaus befindet sich ein Gedenkstein für den Gynäkologen Dr. Rudolf Kuppenheim, der dort tausende Pforzheimer Kinder zur Welt gebracht hatte, ehe er am 22. Oktober in Richtung Gurs (ein Konzentrationslager in Südfrankreich) hätte deportiert werden sollen – so wie alle badischen und saarpfälzer Juden. Dass Kuppenheim bereits seit vielen Jahren protestantisch getauft war, störte die Machthaber nicht, was eindrucksvoll deren Antisemitismus verdeutlicht. Vom Siloah auf den Wallberg zu laufen und trotz bester Sicht bei schönem Wetter das Gefühl zu haben, dass man auf vielen Tonnen Schutt steht, der in der Vergangenheit unsere Stadt konstituiert hatte, sorgte für ein zwiespältiges Gefühl. Im Anschluss erwarteten uns zwei weitere Höhepunkte. Zunächst erfuhren wir bei einer Führung über den jüdischen Friedhof auf dem Hauptfriedhof die Hintergründe der jüdischen Begräbniskultur, die sich so fundamental von der christlichen unterscheidet; zum Beispiel sind alle Gräber in Richtung Jerusalem ausgerichtet, und das Grab eines gläubigen Juden darf niemals aufgelöst werden. Vom Friedhof wanderten wir ins nahe gelegene Stadtarchiv, dem Gedächtnis der Stadt. Hier standen nicht Überreste im Stadtbild, sondern schriftliche Quellen im Zentrum des Interesses. Beispielsweise zeigten uns zwei Archivarinnen die Ehrenbürgerurkunde der Stadt Pforzheim an Dr. Fritz Todt, der dem nationalsozialistischen Staat als Rüstungsminister gedient hatte. Todt war gebürtiger Pforzheimer und legte sein Abitur am Reuchlin-Gymnasium ab. Besonders berührend ist außerdem ein Brief, der aus dem Konzentrationslager Gurs verschickt wurde. Auf dem Heimweg passierten wir einige Stolpersteine; diese sorgen heute dafür, dass für die Präsenz des Nationalsozialismus auch heute noch gesorgt wird und jeder zum Nachdenken angeregt werden kann – der das nach dem sprichwörtlichen „Stolpern“ möchte.

Text/Bilder: Barth

Stefan Rietbrock

fotografiert, schreibt und unterrichtet am Hebel

Leave a Reply